«Die Fintech-Unternehmen suchen uns, weil wir das können»
Silvan Hilfiker hat vor einem Jahr das CEO-Amt bei der Hypothekarbank Lenzburg übernommen und damit die langjährige «Hypi»-Chefin Marianne Wildi abgelöst. Er spricht im Interview mit der AWP über das Alleinstellungsmerkmal im Banking-as-a-Service-Geschäft, Wachstumsambitionen und die Expansion ins Ausland.
16. Juni 2025

Die Bankensoftware Finstar als Vorteil: «Dadurch konnten wir im Alleingang unsere Software öffnen und andere Banken und Unternehmen andocken lassen», sagt «Hypi»-CEO Silvan Hilfiker. (Bild CH Media/ Dlovan Shaheri)
Frage: Herr Hilfiker, Sie sind nun seit einem Jahr CEO der Hypothekarbank Lenzburg. Inwiefern haben sich Ihre Erwartungen an dieses Amt erfüllt?
Silvan Hilfiker: Meine Erwartung war vor allem, dass ich mit vielen Menschen zu tun haben werde und das hat sich erfüllt. Das sind nicht nur unsere Mitarbeitenden und unsere Kundinnen und Kunden sondern auch viele Partner wie etwa Fintech-Unternehmen. Denn die Hypothekarbank Lenzburg ist mit ihren Standbeinen unter anderem im Banking-as-a-Service mehr als eine Bank. Gespürt habe ich aber auch, dass die «Hypi» ein eigentlicher «Love Brand» ist. Jede und jeder kennt uns und findet uns «cool».
Als Nachfolger von Marianne Wildi sind Sie in grosse Fussstapfen getreten. Seit einigen Monaten ist sie nun als VR-Präsidentin Ihre Vorgesetzte. Wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit?
Beim Entscheid für das Amt war es für mich wichtig, dass Marianne Wildi im Unternehmen bleibt. Sie ist die Person, die die Bank zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Wir stehen in einem engen und offenen Austausch. Dass wir in gewissen Dingen auch unterschiedlich sind, ist dabei ein Teil des Erfolgs.
Sie haben es bereits angesprochen, die Hypothekarbank Lenzburg bietet neben dem traditionellen Bankgeschäft auch Banking-as-a-Service-Dienstleistungen (BaaS). Warum bietet eine Regionalbank solche Dienstleistungen an?
Die «Hypi» hat drei Standbeine. Das eigentliche Bankgeschäft, die Technologie mit unserer Bankensoftware Finstar und das BaaS-Geschäft. Mit unserer Diversifizierung wollen wir nicht zuletzt unsere hohe Abhängigkeit vom Zinsdifferenzgeschäft reduzieren.
Funktioniert das auch?
Ja, wir wachsen in diesen Geschäften schnell: 2024 haben Finstar und BaaS bei den Erträgen um fast 70 Prozent zugelegt. Möglicherweise werden die beiden Standbeine bereits in diesem Jahr das Anlagegeschäft überholen und so zum zweitwichtigsten Ertragspfeiler der Bank werden.
Sie haben Finstar angesprochen. Es ist ja eher ungewöhnlich, dass eine Bank auch noch eine Kernbankensoftware entwickelt und an andere Institute vertreibt. Ist das ein rentables Geschäft?
Ja, Finstar ist rentabel. Es ist für uns aber auch ein grosser Wettbewerbsvorteil. Dadurch konnten wir im Alleingang unsere Software öffnen und andere Banken und Unternehmen andocken lassen. Die Fintech-Unternehmen suchen uns, weil wir das können. Ohne Finstar wären wir nicht dort, wo wir heute sind.
Zu den Fintech-Unternehmen, die ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen, gehört auch die «Smartphone-Bank» Neon. Deren Kunden halten Guthaben rund 1,2 Milliarden Franken bei der Hypothekarbank Lenzburg. Entsprechend spielt das BaaS-Geschäft wohl auch eine zunehmend bedeutende Rolle bei der Gewinnung von Kundengeldern?
Sicherlich. Wir gewinnen Kundengelder im klassischen Banking, wir nehmen aber auch Gelder über die Fintech-Partner entgegen. Im Anlagegeschäft profitieren wir derweil dank Neon Invest und den angeschlossenen digitalen Vermögensverwaltern von deutlich grösseren Volumen. So verzeichneten wir nach den US-Zollankündigungen im April eine Rekordzahl an Transaktionen, was auch zu hohen Erträgen geführt hat.
Die Hypothekarbank Lenzburg hat im vergangenen Jahr die für Reise-Kreditkarten bekannte Swiss Bankers Prepaid Services AG gekauft. Was waren die Überlegungen hinter dieser Übernahme?
Es gab mehrere Gründe. Zum einen haben Swiss Bankers ein enormes Knowhow im Bereich der Karten und das wollen wir für unser BaaS-Geschäft nutzen. Zum zweiten verfügen sie auch über ein gutes Vertriebsnetz. Für uns wäre es anspruchsvoll, dies selbst aufzubauen. Zum dritten war es wichtig, dass Swiss Bankers im EWR-Land Liechtenstein eine Tochter mit einer E-Geld-Lizenz haben, was uns Wachstumschancen über unsere Grenzen hinaus öffnet.
Was bringt Ihnen das konkret?
Was wir als Hypothekarbank Lenzburg nicht so mögen, ist das grenzüberschreitende Geschäft. Dank der E-Money-Lizenz können wir unseren Fintech-Partnern etwa den Schritt nach Deutschland ermöglichen, indem wir sie direkt auf unsere EU-Lizenz buchen. Dann ist es nicht mehr ein Cross-Border-Geschäft, sondern ein Onshore-Geschäft mit anderen regulatorischen Vorschriften. Das macht unser BaaS-Geschäft zu einem interessanten Partner.
Anfang Jahr hat die Hypothekarbank Lenzburg auch eine Kooperation mit der Hamburger Sutor Bank bekanntgegeben. Warum dieser Schritt?
Die Sutor Bank passt sehr gut zur «Hypi». Auch Sutor bietet Banking-as-a-Service-Dienstleistungen an. Zudem braucht sie derzeit eine neue Bankensoftware und wir können eine solche offene Software anbieten. Mit unserem Partner können wir Finstar damit auch gleich Deutschland- und EU-tauglich machen. In der Schweiz ist der Markt für unsere Software ja begrenzt und wenn man weiterwachsen will, dann geht der nächste Schritt über die Grenze.
Die Generalversammlung hat ja ein Kapitalband genehmigt. Heisst das, dass die «Hypi» demnächst das Aktienkapital aufstocken wird?
Wir haben uns das Kapitalband geben lassen, damit wir Freiräume nicht nur für Akquisitionen, sondern auch für weiteres Wachstum haben. Wir sind in den vergangenen Jahren im Hypothekargeschäft massiv gewachsen. Letztes Jahr belief sich das Ausleihungswachstum auf mehr als 6 Prozent. Wir sind gut kapitalisiert, aber wenn wir im Hypothekargeschäft weiterwachsen wollen, dann brauchen wir vielleicht irgendwann einmal mehr Kapital.
Bleibt das Ausleihungswachstum so hoch?
Würden wir bei den Ausleihungen alles machen, wofür wir Anfragen haben, dann könnte ich wohl nicht mehr so ruhig schlafen. Strategisch streben wir ein Wachstum von 1 bis 3 Prozent an, allerdings lagen wir in den vergangenen Jahren immer darüber. Wir spüren zudem noch immer die Auswirkungen der Credit Suisse-Übernahme durch die UBS. Den Aargau hat es bei den Grossbanken-Integrationen ja schon zweimal getroffen: Zuerst mit der Integration der Neuen Aargauer Bank in die CS und jetzt mit der Integration der CS in die UBS. Gewisse Kunden wollen nicht bei der UBS sein und suchen nach Alternativen.
Die SNB dürfte die Zinsen bald noch weiter senken. Wie stellen Sie sich auf Null- oder erneute Negativzinsen ein?
Wir haben in der Budgetierung verschiedene Szenarien angenommen, darunter auch Null- und Negativzinsen. Negativzinsen bieten ja auch gewisse Chancen. So können wir die nicht ausgeschöpften Freigrenzen bei der SNB als Parkplatz an andere Unternehmen vermieten und darauf Erträge erzielen. Zudem könnten sich Opportunitäten ergeben, um an neue Kundengelder heranzukommen. Schliesslich suchen heute alle Banken Passivgelder.
Welches Ergebnis erwarten Sie angesichts dieses Umfelds für die «Hypi» im laufenden Jahr?
Die Zinssituation hat sicher starke Auswirkungen auf die Ertragslage. Je nach Entwicklung könnte es auch zu rückläufigen Zinserträgen kommen. Wir haben aber verschiedene Möglichkeiten, um noch Einfluss zu nehmen. Zudem tätigen wir weiterhin umfangreiche Investitionen, die allerdings auch zu steigenden Erträgen führen sollten. Insgesamt bleibe ich für das Gesamtjahr zurückhaltend: Wenn wir angesichts des herausfordernden Umfelds die Ergebnisse halten könnten, dann wäre ich sehr zufrieden.
Interview: Thomas Pohl, AWP. Reproduktion mit freundlicher Genehmigung der AWP Finanznachrichten AG (Erstpublikation 11. Juni 2025).